Jägerherrlichkeit unter Beschuss! – Jagd und Jäger Teil 13
Autor Eckbert Heinenberg, am 25. November 2013
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Es bringt nichts, wenn ich jetzt alles noch einmal von vorne aufzähle. Aber ich kann noch etwas verraten: Ich habe es nie bereut, damals so total mit der Jägerei aufgehört zu haben. Im Gegenteil: Diese Entscheidung bedeutet für mich ein GROSSES PLUS an Zufriedenheit. Eine Steigerung wäre für mich, meinen Fleischkonsum nicht nur, so wie jetzt schon seit Langem, stark reduziert zu haben, sondern es zu schaffen, vollends zum Vegetarier zu werden. Ich arbeite dran. Kein Mitgeschöpf mehr töten zu müssen tut einfach gut – und ebenso das Bewusstsein, dass andere das ebenfalls nicht, bis jetzt noch immerhin weniger müssen, damit ich das Fleisch von Lebewesen mit einem klar erkennbaren emotionalen Empfinden essen kann.
Die Beschäftigung mit lebendigen Tieren, das Sich-Hineindenken in das Anders-Sein von Lebewesen und das ständige Verbessern des eigenen Umgangs mit den Tieren ist für mich ein ungleich reizvolleres Tun. Auch die Beobachtung, das Erleben auf Entfernung könnte man sagen, übt diesen Reiz auf mich aus, so dass ein Tier nicht unbedingt zahm sein muss, damit ich mich von ihm angezogen fühle. Nicht reizvoll ist für mich die Vervollkommnung des Wissens über Tiere, um das Tierverhalten mit dem Ziel zu nutzen, ein immer erfolgreicherer Töter freilebender Wildtiere zu werden.
Ein Schuss ist nicht nur brutal laut, er ist auch von brutaler Wirkung. Nie werde ich die verstehen, die sich dafür begeistern können. Ich bin nun mal gewaltfrei veranlagt und das passt nicht zum fortgesetzten Gebrauch dieser Schießprügel.
Ziemlich am Anfang meiner Artikelreihe über Jagd und Jäger habe ich mich über die Erwartung etablierter Jäger ausgelassen, dass man einem bestimmten Erscheinungsbild entsprechen soll, was die Klamotten betrifft. Wahrscheinlich hat das manche Leser amüsiert, einige werden gedacht haben »der tickt nicht ganz richtig« und weitere werden denken »warum zieht der sich an sowas hoch«.
Nun, ich ziehe mich nicht an etwas hoch. Diese Nebensächlichkeit sehe ich als Symptom, denn sie war vielen Jägertypen viel mehr Energieeinsatz wert als eine Diskussion über die Sache selbst, die öfters auch gern rechthaberisch, unflexibel und ohne Eingehen auf andere oder neuere Ansichen in barschem Ton beendet wurde.
Das, was mich daran stört, das ist das Verlangen, jemandem auf diese Weise Vorschriften bis ins Kleinste machen zu wollen. Für mich ist dieses kleinkarierte »Sie haben einen Hut zu tragen« Teil einer Konditionierung. Die gleiche Konditionierung beinhaltet es, wenn man an irgendwelchen überkommenen Ritualen und Anschauungen festhalten soll, die von der Zeit längst überlebt wurden. Beides sind gleichermaßen Elemente einer Strategie, die zur Aufgabe eigener Ideen führen soll und das Individuum steuerbar, von andren beherrschbar machen und seiner Selbstbestimmtheit berauben soll. Das ist meine Überzeugung, wenn ich mit so etwas konfrontiert bin. Und dies ist genau das, was mich abstößt. Eben auch an dem Hutzwang.
Ich habe überhaupt nichts dagegen, wenn es jemandem gefällt, so herumzulaufen, wie es ihm von anderen vorgemacht oder meinetwegen auch vorgegeben wird. Wenn jemand das aus freiem Willen so will: Bitte schön!
Ich habe aber alles dagegen, wenn das von Jedem zwanghaft gefordert wird. Denn das erzeugt eine Atmosphäre der Unfreiheit, der Unterdrückung des individuellen Denkens und Handelns. Dieser subtile Zwang greift dann – wie anderswo auch, wenn diese Methode angewendet wird – fast unmerklich immer weiter um sich. Bis man einen Haufen Leute kreiert hat, die gleichermaßen im Wesentlichen das Gleiche behaupten und ohne Zögern verteidigen. Dadurch werden die Inhalte aber nicht um 1 mm wahrer. Und dieses Gesamtpaket der Bevormundungsversuche ist eben auch etwas, was mich während meiner Zeit bei der Jägerei unglaublich abgestoßen hat.
Dass es diese subtile Einflussnahme mit Zielsetzung auf das Festhalten an überkommenen Vorstellungen heute noch gibt, das kann man ganz augenfällig genau jetzt beobachten. Und zwar überall da, wo es Bestrebungen gibt, die Jagdgesetzgebung zu modernisieren und sie dem aktuellen Erkenntnisstand und den Vorgaben des EU-Rechts anzupassen.
Da wird sich kollektiv wirklich mit Händen und Füßen gewehrt. Man will weiter Füchse schießen, egal wie unsinnig das auch ist. Man will weiter auf Enten schießen und das mit Sicherheit nicht nur mit bleifreier Munition. Man will weiter daran festhalten, dass Grundeigentümer nicht selbst bestimmen dürfen, ob auf dem eigenen Grundstück jemand jagen darf oder nicht. Usw., usw., wie bereits dargestellt.
Mich erinnert die Art und Weise, wie da teilweise von jägerischer Seite reagiert wird, oft an ein paar Angstbeißer, die sich nicht die Zeit nehmen, die wahre Situation erst zu erkennen und danach zu reagieren.
Die Zeichen der Zeit sollen ignoriert werden, ist mein Eindruck. Die gehen nämlich dahin, dass die Widerstände gegen jägerische Selbstherrlichkeit, gegen die Trophäenjagd, die Lustjagd und die ökologisch/zoologisch unsinnige Jagd immer mehr zunehmen. Mal ganz abgesehen davon, dass ein ständig höherer Anteil von Menschen die Tötung von Tieren generell ablehnt, egal wie naturkonform sie auch sei.
Es gibt mehrere Ergebnisse von Befragungen durch seriöse Meinungsforschungsinstitute, die belegen, dass eine Mehrheit der Bevölkerung die Jagd nicht mehr akzeptiert, dass sie im Extremfall gar nicht akzeptiert wird, oder eben in dieser Form für überarbeitungsbedürftig gehalten wird.
Immerhin gibt es nur deutlich weniger als ein halbes Prozent Jäger in der Einwohnerschaft Deutschlands.
Diese 0,4% nehmen für sich in Anspruch, dass die Lust zu jagen, Tiere zu erbeuten, zu töten, ein menschlicher Grundzug sei, den man einfach ausleben müsse. Sie stellen ihren Jagd- und Tötungstrieb als normal hin. Sogar in öffentlichen Medien.
Und was sind dann die 99,6 % Nichtjäger? Ich dachte immer, dass als »normal«, wenn man dieses Wort im Zusammenhang mit Menschen überhaupt benutzen will, die breite Masse angesehen wird und nicht die winzige Minderheit.
Von dieser Minderheit lasse ich mir gerne nachsagen, dass mir etwas fehle, weil ich einfach keine Jagdpassion habe, mich von lebendigen Tieren angesprochen, ja magisch angezogen fühle und gewiss keine Lust zum Töten egal welches dieser Lebewesen habe.
Mehr als einmal war ich nahe daran, zum Vegetarier zu werden, in erster Linie aus dem Gefühl der Verbundenheit mit den Tieren heraus, solange sie leben und aus dem abstossenden Erleben der Tötung durch Jagd oder Schlachtung, mal ganz abgesehen davon, unter welch shrecklichen Bedingungen die allermeissten zu Schlachtung aufgezogenen Tiere ihr kurzes Dasein fristen müssen. Gehindert hat mich letztlich die Überzeugung, dass es durch Jahrhunderttausende, in denen Menschen und deren Vorfahren Fleisch gegessen haben, zu einer Anpassung des Organismus an diesen Nahrungsbestandteil gekommen sein muss, der doch für die Versorgung mit manchen essentiellen Inhaltsstoffen eine entscheidende Rolle spielt – und: es schmeckt mir dann nach einiger Zeit natürlich manchmal immer noch.
Allerdings hat es nach Jagd- oder Schlachtetagen manches Mal mehrere Tage gedauert, bis ich Fleisch wieder mit Appetit essen konnte. Die Natur kennt menschliche Bedenken und Gefühle solcher Art nicht. Sie regelt die Existenz der verschiedenen Lebensformen emotionsfrei, ebenso die Beziehungen der Arten untereinander. Man sollte die Vorgaben dieser Natur, der alles Leben, auch das eigene, nun mal sein Dasein verdankt, nicht einfach ignorieren, finde ich. Das könnte eventuell schlecht enden. Das Grundprinzip vom Fressen und Gefressenwerden ist auch heute noch das, was über den Fortbestand oder das Ende von Lebewesen entscheidet. Bei allem Hingezogensein zum Tier als Mitlebewesen darf man das alles meiner Ansicht nach nicht völlig vergessen oder ignorieren.
Übrigens ernährt man sich auch vegetarisch von Lebewesen, deren Wachstum und weiteren Lebensvorgänge mit dem gleichen zellbasierten und gen-gesteuerten Grundprinzip gelenkt werden wie die der Bakterien, Pilze und Tiere einschließlich des Menschen. Alle Lebewesen, inclusive der Pflanzen, sind also nur diverse Ausprägungen ein- und desselben Phänomens, nämlich des Lebens als Solches. Immerhin hat man auch mit der Tomate, die man isst, noch an die 50 Prozent Gleichheit im Genbestand. Gewiss miteiander verbunden, verwandt, verwoben ist also alles Lebendige.
Man kann darüber ruhig auch mal nachdenken, z. B. wenn man eine lebende Kartoffel schält oder mit Pelle in einen Topf mit Wasser wirft, das man dann brutal zum Kochen bringt, andere Pflanzen in lebendem Zustand in seinem Mund zerkaut…. und gleichzeitig überlegt, den Verzehr nicht mehr lebenden Fleisches abzulehnen. – Das Problem bleibt diffizil und für mich nur schwer lösbar.
Sicher bin ich allerdings, dass emotionale und eher philosophische Bedenken dann keine Rolle mehr spielen, wenn Menschen echten Hunger leiden müssen, es um das eigene Leben oder Nichtleben geht. Ein Zustand, den die wohlversorgten Bürger in den sog. Westlichen Ländern nicht mehr kennen. Das ist mal ein Positivum an der mir eigentlich so unsympatischen Hyperzivilisation. Ich bin gewiss, dass die ideologischen Nicht-Fleischesser sich in so einer schrecklichen Lage selbst nicht mehr wiedererkennen würden.
Meine Überzeugung ist allerdings auch, dass die Jagd bereits in Urzeiten aus purer Not, wegen akuten Nahrungsmangels und nagenden Hungers eben, entstanden sein muss und nicht aus ominösen inneren Trieben zum Jagen und Töten heraus, die der Menschheit nach Jägeransicht angeblich von Natur aus zu Eigen sein sollen. Das mag es im Ausnahmefall vielleicht auch gegeben haben, wie es mit Sicherheit auch heute noch vorkommt.
Ansonsten spricht dieses Zahlenverhältnis doch für sich selbst, oder?
Das Schöne an einer Demokratie ist, dass am Ende die Mehrheit entscheidet. Dagegen kann sich auch eine noch so dickfellige Lobby nicht für alle Zeiten wehren. Auch nicht, wenn man die eigenen Behauptungen noch so effektvoll als die einzig richtigen darzustellen versucht. Schon dieses Ansinnen kann für Jeden, der schon mal selbst zu denken versucht hat, nur ein deutlicher Hinweis auf inhaltliche Zweifelhaftigkeit sein.
Wenn manche Leute meinen, dass es auch eine gesellschaftliche Seite bei der Jägerei gibt, dann haben sie wahrscheinlich recht. Wo gibt es die nicht. Aber in diesem Fall werden die gesellschaftlichen Veranstaltungen mit dem Leben und teilweise der Qual Tausender von Tieren bezahlt. Getötet oder verletzt werden sie aufgrund irgendwelcher Events, Üblichkeiten oder Gefälligkeiten und Geschäftsverbindungen. Und das kann kein ausreichender Grund sein, um zu jagen und Tiere zu töten.
Diese Ansicht lasse ich mir einvernehmlich mit vielen Anderen ganz bestimmt nicht nehmen.
Ich fühle mich darin auch bestätigt durch die Abschaffung der traditionellen so genannten Diplomatenjagd, die die derzeitige (rot-grüne) niedersächsische Landesregierung verfügt hat. Das ist doch ein brillanter, weil bespielgebender und öffentlich wahrgenommener Schritt weg von einer tier- und lebensverachtenden Grundeinstellung. Es führt zudem endlich weg von einer Gewohnheit, die ihren Ursprung letztlich in den Gepflogenheiten feudalherrschaftlicher Menschenausnutzer längst vergangener Zeiten hatte.
Und es beweist, dass es auch ohne das barbarische gesellschaftliche Relikt geht.
Manche führenden Ökologen und Zoologen vertreten heute sogar die Ansicht, dass es generell ganz ohne die Jagd geht. Auch in einer Kulturlandschaft wie in Deutschland. Den Einfluss der Jagd auf die freilebende Tierwelt nur mit traditioneller Jägerlogik zu betrachten ist gewiss eine sehr einseitige Denkweise. Die Logik, die sich auf Forschungsergebnisse stützt, steht für mich deutlich überzeugender da!
Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass die wunderbare Jägerherrlichkeit in naher Zukunft ganz drastisch beschnitten werden wird und dass aktuelle Erkenntnisse sowie auch dem Zeitgeist mehr entsprechende Kriterien umgestzt werden können.
Das kommen zu sehen ist – bei aller Akzeptanz der Jagd als natürlichem Bestandteil des Überlebens der Menschheit – aus meiner Sicht eine schöne Erwartung!
„Es wird die Zeit kommen, in welcher wir das Essen von Tieren ebenso verurteilen, wie wir heute das Essen von unseresgleichen, die Menschenfresserei, verurteilen.“
Leonardo da Vinci
(Universalgelehrter, Maler, Bildhauer, Genie und Visionär, 1452 – 1519)
Nachtrag in 2017, nach etlichen weiteren Erlebnissen und Gesprächen mit Jägern in verschiedenen Regionen (irgendwie laufen sie mir immer wieder über den Weg, ohne dass ich je danach suchen würde):
Was mögen das nur in ihrem Innersten für Menschen sein, die die Jagd vor allem ausüben, weil sie dadurch Freude, Jagdlust oder Wunscherfüllung empfinden können, dass sie anderen Lebewesen das Leben nehmen? Die sich tatsächlich mit Überzeugung einbilden „Natur regulieren“ zu können? Die sich wohlfühlen in einer Atmosphäre des blutigen Tötens, die bei anderen nur Tristesse und Abgestoßensein hervorrufen kann? Niemals werde ich sie verstehen können. Der oft geäußerte und vielfach publizierte Gedanke, dass es sich bei dieser Freude um eine Erscheinung psychopathischer Art handelt, ist mir dagegen eher nachvollziehbar. – Das erklärt dann auch die verbreitete bornierte Nichtanerkennung der aktuellen Erkenntnisse aus Wildbiologie und Wildökologie, die belegen, dass die Jagd weitgehend verzichtbar ist und dass man der Natur nur Zeit lassen muss, damit sie sich wieder selbst reguliert und den (un)menschlichen Tötungswahn ad absurdum führt. Absurd per se ist gewiss die Idee, „Natur regulieren“ zu müssen, mit der die ständigen (Lust-)Tötungen von Tieren als Notwendigkeiten hingestellt werden. Was Menschen tun, kann niemals Regulierung, sondern nur eine schwere Störung der Abläufe im Zusammenwirken aller Lebensformen in der Natur sein. Aber wo die Lust am Töten und die Vorfreude auf das nächste Mal die bestimmenden Elemente sind, wo Kumpanei und markige Rituale zu Wichtigkeit, Priorität gar, und zu Zusammenrottungs- und Abgrenzungshintergründen erhoben werden, da sind sachliche Argumentationen und nüchterne Schlussfolgerungen ganz offensichtlich nicht erwünscht. Jäger sein? – NEIN DANKE! – Es würde mir das Schöne am Anblick des freilebenden Wildes und am Draussensein überhaupt heute wie damals vollkommen vernichten. Mal ganz abgesehen davon, dass ich aus Überzeugung zu denen gehöre, die eine weitgehend jagdfreie Natur für die idealste Lösung halten. Übrigens kann ich jedem, der es noch nicht tut, die vegetarische Ernährung nur empfehlen: Ich habe nach einiger Zeit festgestellt, dass man sich damit einfach fitter fühlt. Mal ganz abgesehen von der stillen Feude, die mir öfters der Gedanke macht, dass für mein Essen kein einziges Tierchen seines Lebens beraubt werden musste. – EINFACH IN JEDER RCHTUNG SCHÖN! |
1 Jagen? Warum eigentlich? – 2 Töten aus Lust oder Notwendigkeit? – 3 Hirsch tottrinken und anderes – 4 Katzen und neue Tierarten unerwünscht – 5 Wildarten-Durcheinander – 6 Jagd auf Füchse und als extensive Tierzucht – 7 Wildtiere, Wildschutz, Menschen, Jagd – 8 Abschreckendes von der Baujagd – 9 Hubertus von Lüttich, die Jägerei und ich – 10 Ueber Kraehen und andere Rabenvoegel – 11 Schadstoffe im Wild und Umweltschäden durch die Jagd – 12 Entscheidung gegen die Jagd in dieser Form – 13 Jagd unter Beschuss
*) Natürlich ist die Jagd hier im Raum Sprakensehl allgegenwärtig und die ständige Begegnung mit Jagd und Jägern so unvermeidlich wie überall in den Landschaften Europas. Im täglichen Leben mache ich, wenn’s so kommt, keinen Hehl aus meinen Ansichten, provoziere aber keine Konfrontation, die zu nichts führt. Denn ich möchte noch viele Jahre in Frieden draussen unterwegs sein und erwarte von den Jägern die gleiche Toleranz mir gegenüber, mit der ich auch weiterhin nicht absichtlich stören werde.