Wild – Wildschutz – Menschen – Jagd und Jäger Teil 7
Autor Eckbert Heinenberg, am 12. November 2013
> |
Die Jäger behaupteten und die meisten bleiben bis heute dabei, dass sie die regulierenden Einflüsse der großen »Raub«-Tiere durch die Jagd ersetzen müssen. So wurde es mir auch beigebracht und daher habe ich es anfangs für Wahrheit gehalten.
Ich frage nun: Wo haben diese Jäger jemals einen Wolf gesehen, der seine Beutetiere in schlechten Zeiten mit Futter versorgt hat? Mit Wurmkuren gar? Welcher Beutegreifer aus dem Tierreich selektiert seine Beute so, dass diejenigen mit dem größten Kopfschmuck als Zuchttiere durchkommen? Während andere, die weniger Knochenbildung auf dem Kopf aufweisen, möglichst beseitigt werden.
In Wildbeständen gibt es eine so genannte Fluktuation im Erscheinungsbild der einzelnen Tiere. D.h. es gibt eine große Masse, die man als durchschnittlich bezeichnen kann. Daneben gibt es Abweichungen, um mal ein Kriterium herauszupicken, zu schwächeren und zu stärkeren Exemplaren. Es überlebt aber in der Natur nicht immer das stärker gebaute Wild mit der dicksten Trophäe auf dem Kopf. Es überlebt das, was dem jeweiligen Lebensraum am besten angepasst ist. Und je nach Nahrungsgrundlage, Topografie und diversen sonstigen Voraussetzungen können das durchaus auch solche sein, die man eher als schwächer bezeichnen würde. „The fittest“ ist nicht unbedingt der Muskelprotz, sondern derjenige, der am besten im Lebensraum zurechtkommt. Daher sind die Bestände von ein- und derselben Wildart in unterschiedlichen Regionen oft auch unterschiedlich ausgeprägt in Typ und Stärke. Der große, dicke Trophäenträger ist unter natürlichen Verhältnissen vielleicht der Erste, der von der Natur herausselektiert wird.
Wenn man meint, dass man Wolf und Co mühsam ersetzen muss, kann man doch eigentlich nur froh sein, wenn diese endlich wieder auftauchen. Seltsam, dass ich dann von Jägern so oft klare Ablehnung gegen den Wolf gehört habe. Er wird seiner Aufgabe in der Natur garantiert naturgemäßer gerecht, als auch der versierteste Jäger es jemals können wird, behaupte ich.
Was aber im Allgemeinen versucht wird, ist die Zucht auf den stärksten Trophäenträger.
»Angewandter Naturschutz«?
Neben der Stärke der Trophäen ist natürlich auch die Zahl der Beutetiere interessant für die Jäger. Wildreichere Reviere sind beliebter. Warum eigentlich, wenn es nicht den Verhältnissen in der Natur entspricht? Ist doch klar, oder? Es gibt wie gesagt diverse Untersuchungen darüber, dass die Wilddichte hierzulande meist über dem Maß liegt, was in ungestörten Gebieten möglich ist.
Erwiesen ist auch: Jäger und Jagd stören in erheblichem Maß das Verhalten der Wildtiere.
Im Gegensatz zu dem, was von Seiten vieler, wenn nicht so gut wie aller Jäger behauptet wird: Es sind nicht die Spaziergänger, Wanderer und anderen Erholungssuchenden, die das Wild scheu machen.
Was das Wild wirklich scheu macht, das ist der Jagddruck. Profan und vereinfachend gesagt: die Angst vor dem Erschossenwerden.
In allen Gebieten, die nicht bejagt werden, kennt das Wild dieses Scheusein nicht. In solchen Gebieten, in denen die Jagd eingestellt wird, kann man nach einer gewissen Zeit beobachten, dass die Scheu des Wildes zurückgeht.
Das Wild flüchtet vor Erholungssuchenden, weil es sie als Menschen identifiziert. Und alle Menschen bringt es erstmal mit dem Jäger in Zusammenhang, nachdem es die einschlägigen Erfahrungen sammeln musste. Dabei ist natürlich der Wildbestand in seiner Gesamtheit gemeint, denn die Jungtiere erlernen und übernehmen die Angst von den Älteren.
Da es mehr friedliche Landschaftsbesucher als Jäger gibt, kann man die Flucht vor den »Normalsterblichen« öfter beobachten als vor dem Jäger selbst, der das Verhalten erst verursacht hat. Durch etliche Untersuchungen ist das längst belegt. Aber hartnäckig wird die Lüge vom Schaden durch die Wald- und Feldbesucher unter totaler Ignoranz aller einschlägigen Ergebnisse von Jägern immer weiter wiederholt.
Es gibt allerdings eindeutig Ausnahmen. Zum einen die unvernünftigen und ignoranten Exemplare unter den Hundebesitzern. Es ist selbstverständlich ein Unding, wenn jemand seinen Hund Wild hetzen lässt. Wo solche Leute öfter unterwegs sind, ist das gestresste Wild natürlich auch davon scheu. Und dann sind noch Mountainbiker und einige andere unterwegs, die rücksichtslos Unruhe in die Restnatur bringen und sich in keinster Weise Gedanken darüber machen, welche Folgen ihre egoistische Spaßmentalität für die freilebende Tierwelt haben kann. Solche Typen verhalten sich nicht der naturhaften Umgebung angepasst, die sie einfach nur benutzen anstatt sie zu erleben. Leider gibt es diese Schandflecke unter den nicht jagenden Landschaftsbesuchern. Das ist natürlich Wasser auf die Mühlen derjenigen unter den Jägern, die nach Argumenten suchen, um Andere aus Teilen von Wald und Feld auszusperren, indem sie verallgemeinernd behaupten, die freilebende Tierwelt erleide generell Schaden durch die Leute, die das Bedürfnis nach dem Draußensein haben.
Meine Erfahrung mit diversen Jägern sagt mir, dass der eigentliche Grund für diese Lüge in der Tatsache liegt, dass viele Jäger die gesamte Landschaft am liebsten für sich allein beanspruchen würden. An dieser Stelle ist der Hinweis sicher angebracht, dass es auch Jäger gibt, die nicht dieses Denkschema haben.
In der Manier feudalherrschaftlichen Privilegiendenkens wird es aber auch weiter die fadenscheinigsten Versuche geben, um andere Menschen wenigstens gebietsweise aus den Jagdrevieren fernzuhalten.
Nicht zum Schutz des Wildes, wie es vorgegeben wird, oft auch auf Schildern, sondern für die ungestörte Jagdausübung dienen solche Areale. Sonst dürfte es nämlich nicht heißen „Wildschutzgebiet, bitte nicht betreten“, sondern es müsste heißen “Wildschutzgebiet, Jagen streng verboten“. Das, was vorgeblich ein Wildschutzgebiet ist, stellt nämlich in Wahrheit ein Gebiet dar, in dem die Herrschaften Jäger und Jägerinnen möglichst unbehelligt ihren Neigungen nachgehen wollen. Solche Flächen sind oft mit Hochsitzen geradezu gespickt. Vollkommen unbegreiflich ist für mich, dass selbst in Naturschutzgebieten die Jagd unter Umständen möglich ist. Wer hat bloß solche Regeln erlassen?
In anderen Bundesländern habe ich übrigens teilweise wesentlich unfreundlichere Formulierungen im Befehlston mit regelrechtem Betretungsverbot gesehen und leider nicht fotografiert.
Das Wild fühlt sich in anderen Gebieten tatsächlich geschützt: ganz klar da, wo es die Erfahrung gemacht hat, dass dort nicht gejagt wird. Man denke nur mal an den seit 1974 nahezu jagdfreien Kanton Genf in der Schweiz oder an die Tatsache, dass es in Skandinavien zig Elche gibt, die sich in die Gärten der Vorstadt verziehen, wenn Sie bemerken, dass die Jagdzeit begonnen hat. Ebenso verhält es sich mit den vielen Stadtbewohnern unter den Wildtieren, seien es nun Füchse, Wildschweine oder sonst welche. Sie finden im städtischen Umfeld nicht nur ein Nahrungsangebot, sondern vor allem auch Sicherheit, weil dort nicht gejagt werden darf. Und schon verliert sich die Scheu vor den Menschen!
Wildarten wie Schwarz- und Rotwild sind von Natur aus tagaktiv. Dass sie in unseren Landen weitgehend in der Nacht unterwegs sind, liegt an der früher schon erwähnten Angst vor der Bejagung. Ein einschneidender Eingriff in den natürlichen Tagesrhythmus dieser und anderer Tierarten. Viele Jäger versuchen dennoch, dieses denaturierte Verhalten mit einem nicht artgemäßen Tag-Nachtrhythmus für arttypisch zu erklären. Das beschönigt die eigenen fatalen Einflüsse. Allerdings posaunen solche Leute damit entweder die eigene Unwissenheit laut heraus oder sie glauben, Andere an der Nase herumführen zu können. Sich und ihrer Sache tun sie so ganz bestimmt keinen Gefallen.
Die gängige Argumentation der Jäger passt also von vorn bis hinten nicht. Sie bricht bei intensiver und objektiver Betrachtung in kürzester Zeit wie ein Kartenhaus in sich zusammen.
1 Jagen? Warum eigentlich? – 2 Töten aus Lust oder Notwendigkeit? – 3 Hirsch tottrinken und andere Sitten – 4 Katzen und neue Tierarten unerwünscht – 5 Wildarten-Durcheinander – 6 Jagd auf Füchse und als extensive Tierzucht – 7 Wildtiere, Wildschutz, Menschen, Jagd – 8 Abschreckendes von der Baujagd – 9 Hubertus von Lüttich, die Jägerei und ich – 10 Ueber Kraehen und andere Rabenvoegel – 11 Schadstoffe im Wild und Umweltschäden durch die Jagd – 12 Entscheidung gegen die Jagd in dieser Form – 13 Jagd unter Beschuss