Wildarten-Durcheinander – Jagd und Jäger Teil 5
Autor Eckbert Heinenberg, am 5. November 2013
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Irgendwie scheinen die Gedanken in jägerischen Köpfen manchmal unklar zu sein. Es ist vollkommen inkonsequent, wenn Jäger irgendwelche neu aufgetauchten Tierarten von vornherein für unerwünscht erklären, weil sie nicht einheimisch sind. Denn die erwünschten Arten Fasan, Kaninchen, Muffelwild, Damwild, Sikawild und Truthuhn sind ebenfalls keine einheimischen Arten. Sie wurden vielmehr hier ausgewildert. Und nun raten Sie mal von wem! Natürlich von Teilen der Jägerschaft selbst, mit Ausnahme des Kaninchens, das schon von den Römern hergebracht wurde.
Man wollte mehr jagdbares Wild abzuschießen haben. Und es gibt von allen genannten Arten bis heute Bestände, die sich in der deutschen Wildbahn weiter fortpflanzen dürfen und »gehegt« werden – ohne den Hass der Jäger auf sich zu ziehen, weil sie nicht einheimisch sind. Ganz im Gegenteil. Es werden sogar mancherorts Fasanenbestände von Jägern durch weiteres Auswildern »gestützt«. Die Motivation dürfte klar sein!
Nochmal: Das sind auch gebietsfremde ausländische Wildarten. Also: Die werden trotzdem gehegt, gewünscht und als Bereicherung betrachtet.
Nun gibt es aber einheimische Wildarten, die bereits ausgerottet worden waren und die nun zurückkehren. Die offizielle Meinung, die Jägerorganisationen vertreten, ist: Diese Tierarten sind uns hochwillkommen, absolut erwünscht. Denn sie gehören zur einheimischen Fauna und die möchten wir ja schützen. Soweit und so gut die offizielle Meinung.
Es geht, wie Sie bereits bemerkt haben werden, um das Erscheinen oder Auswildern von Wolf, Luchs und Wildkatze. Und vielleicht irgendwann auch von Bären.
Ich konnte es kaum glauben, als die ersten Berichte über frei lebende Wölfe in Deutschland in den Medien verbreitet wurden. Umso mehr habe ich mich gefreut, dass die wieder Aufgetauchten auch von der Jägerschaft offiziell willkommen geheißen wurden. Nach allen Erfahrungen, die ich selbst mit Jagd und Jägern gemacht hatte, habe ich damit nicht gerechnet.
Leider habe ich mich nicht im vollen Umfang getäuscht. Denn ausnahmslos alle Jäger, mit denen ich in den letzten Jahren über dieses Thema selbst gesprochen habe, waren strikt dagegen, dass diese Beutegreifer hier wieder in Freiheit leben. Kein einziger der angesprochenen Jäger hat sich gefreut, dass vielleicht die Gelegenheit kommt, wo er selbst ein solches schon verloren geglaubtes Tier freilebend hier bei uns draußen beobachten könnte. Es wurden ausschließlich Argumente aus der Mottenkiste hervorgeholt, mit denen die Existenz dieser Tierarten bei uns für unmöglich erklärt werden sollte. Und wenn die Begründung noch so absurd war.
Auch in anderen Ländern leben Wölfe und Luchse in Kulturlandschaften. Ich kann mir nur einen einzigen wahren Grund für die Ablehnung denken: Beuteneid, die Einteilung der Wildarten in Nutzwild und Schadwild wie im finstren Mittelalter.
Jagd soll »angewandter Naturschutz« sein? Wo kann ich denn das bei solchen Leuten nun erkennen?
Die blanke Ablehnung wurde neben den fadenscheinigen Scheinargumenten auch durchaus konkret begründet: Man hatte Angst um die Abschusszahlen, insbesondere um seine Bestände an Muffelwild. Das Muffelwild stammt nun mal aus Regionen, in denen es dem Beutegreifer Wolf nie ausgesetzt war. Darum hat es auch nicht das passende Verhalten im Repertoire, um sich rechtzeitig in Sicherheit zu bringen.
Wer mit der Natur denken will, der kann doch unmöglich die Rückkehr der eigentlich von Natur aus vorkommenden Arten verurteilen und die Erhaltung von künstlich eingeführten und ausgewilderten Arten verteidigen. Dass das Muffelwild nicht wirklich hierher passt, kann man auch anhand der oft viel zu lang ausgewachsenen Schalen (Klauen) erlegter Exemplare sehen. Es fehlt der artgemäße felsige Untergrund ihrer felsigen Bergheimat, z.B. Sardiniens und Korsikas, der für den richtigen Abrieb der Klauen sorgt.
Da liegt doch der Schluss sehr nahe, dass man lediglich weitere lebende Ziele haben will. Um eben dieser seltsamen Gier nach dem Töten bei der so genannten Jagd genüge zu tun. Suche nach Natur? Fehlanzeige!
Die Jäger bekommen doch, wenn Wolf und Luchs wieder da sind und die Wildbestandsdichte der Natur besser anpassen, im Austausch gegen ihre überhöhten Wildbestände und hohen Abschusszahlen ein wesentlich ursprünglicheres Naturerlebnis als bisher.
Wenn sie wirklich die Jagd als angewandten Naturschutz betrachten würden, dann könnte das tatsächlich nur grenzenlose Begeisterung bewirken!
Statt dessen wird von Jagdpächtern und Verpächtern schon öffentlich in den Medien über den möglichen Verfall der Jagdpachtpreise aufgrund eventuell niedrigerer Abschusszahlen lamentiert.
– Och Nee, Nöö! – Nein Danke, was für eine Einstellung zur Natur ist DAS denn?!? –
Diese Leute sind folglich lediglich Hirschzüchter, Rehzüchter, Damwildzüchter, Hasenzüchter, Trophäenzüchter, sonstwas für Züchter, vielleicht Wildpretproduzenten, in jedem Fall auf hohe Abschusszahlen und ihr eigenes für mich so zweifelhaftes Jagdvergnügen bedacht.
Eines beweisen sie solchen Reden, Vorstellungen und Forderungen ganz eindeutig: Sie sind nicht an Natur interessiert, erst recht keine Naturschützer!
Sonst könnte es ja nichts wichtigeres für sie geben als die Annäherung an wirklich naturgemäße Verhältnisse in den Revieren.
Die Jagdpachtpreise sollten der Wölfe und Luchse wegen steigen, denn: Es entsteht mehr Natur = mehr Erlebniswert für den begeisterten Naturschützer, der der Jäger doch angeblich sein will!
Der Luchs wurde mühselig wieder angesiedelt, vielleicht unter Ergänzung mit eingewanderten Exemplaren von anderswo her.
Vor nicht langer Zeit habe ich im Zusammenhang mit diesen Luchsvorkommen etwas mitbekommen. Und zwar direkt von einem Jäger. Es war einer der keineswegs schussgierigen Vertreter der Jägerschaft. Er sagte mir, dass er in bestimmte Reviere nicht mehr fährt, ganz egal, wie reizvoll die Jagdeinladung von dort auch sein sollte. Welche Reviere das genau sind, weiß ich natürlich nicht. Ich frage auch nicht danach, weil der Betreffende durch solche Fragen in eine Zwickmühle kommen würde, die herbeizuführen angesichts seiner Offenheit sehr unfair wäre.
Jetzt kommt‘s: Er wolle dort deshalb nicht mehr hin, weil er sich klar geworden sei, dass dort mit den Luchsen höchstwahrscheinlich nach dem System 4S verfahren würde.
Ich bin überzeugt, dass dieses »System« auch von manchen Jägern angewendet wird, wenn Wölfe im Revier auftauchen. Wie sonst sollte es zu erklären sein, dass an überfahrenen Wölfen bereits alte Schusswunden festgestellt worden sind. Nach dem, was bis zu mir durchgesickert ist, soll dieses ungesetzliche Vorgehen für einige der jagenden »Naturschützer« in Sachen Luchs durchaus eine Selbstverständlichkeit sein, besonders wenn sie Revierinhaber sind. Und ich habe nur noch wenig Möglichkeiten, irgendetwas mitzubekommen, weil ich ja seit ca 35 Jahren mit der Jagd nichts mehr zu tun habe. Welches Ausmaß mag dahinter stecken, wenn jemand wie ich das gelegentlich schon hört?
Ach so – falls sich jemand fragt, was das »System 4S« eigentlich ist: Die Bezeichnung leitet sich ab von den Anfangsbuchstaben der vier Worte Sehen, Schießen, Schaufeln, Schweigen.
Jagd ist angewandter Naturschutz! – Oder etwa doch nicht?
1 Jagen? Warum eigentlich? – 2 Töten aus Lust oder Notwendigkeit? – 3 Hirsch tottrinken und andere Sitten – 4 Katzen und neue Tierarten unerwünscht – 5 Wildarten-Durcheinander – 6 Jagd auf Füchse und als extensive Tierzucht – 7 Wildtiere, Wildschutz, Menschen, Jagd – 8 Abschreckendes von der Baujagd – 9 Hubertus von Lüttich, die Jägerei und ich – 10 Ueber Kraehen und andere Rabenvoegel – 11 Schadstoffe im Wild und Umweltschäden durch die Jagd – 12 Entscheidung gegen die Jagd in dieser Form – 13 Jagd unter Beschuss